Philosophie scheint keine systematische, alltägliche Ressource für Manager zu sein, abgesehen von den gutgemeinten Adaptionen für Manager aus philosophischen Werken. Die Wirtschaftsethik behandelt Management-Themen im philosophischen Diskurs. Dazu publizieren die Autoren Homann, Kenneth, Kumar, Lenk, Luetge, Neuhäuser, Rich, Roth, Sardison, Sedlacek, Suchanek, Schütz, Thielemann, Ulrich, Wieland u.a.m. Aber ihre Argumentation wird in der Geschäftswelt vermutlich eher wenig wahrgenommen.
Management ist, im Verständnis von Peter Drucker, angewandte Sozialphilosophie: Management befasst sich ständig damit, die Ziele, den strukturellen Aufbau und die Handlungsmöglichkeiten einer Firma, Institution oder Behörde aufeinander abzustimmen sowie Personen und Betrieb erfolgreich auf Kurs zu halten. – Angewandte Unternehmensethik, so die Autoren der einschlägigen Literatur, sei das Alpha und Omega verantwortungsbewussten Managements. Autoren wie Drucker, Beer, Malik, Gratton, Sprenger und viele andere mehr publizieren zu Idee und Tat von Management. Zu dessen Substrat forschen Autoren wie Schein, Fehr, Kahneman, Gigerenzer u.v.a.m.: Ihre Erkenntnisse bringen den Geschäftsalltag voran, es werden dafür Entwicklungsprojekte sowie Efforts unternommen.
Management als habituell gewordene Praxis und Ausbildungsstoff hat der Globalisierung des Wirtschaftsgeschehens und der technologischen Forschung wesentlich Vorschub geleistet. Infolgedessen hat Management nun auch eine sehr brisante Lage zu bewältigen: Die digitalen Medien (Internet, Skype, Cloud, Mobile inkl. App, E-Mail, IT, Video, etc.) prägen Interaktion und Kommunikation radikal aufs Neue. Im Geschäftsleben kann Management kurzzeitiger denn je agieren, und in der Lebenswelt intervenieren digitale Systemimperative ohne Unterlass. Es prognostizieren die Geschäftsleitungsvorsitzenden der Medienkonzerne, die auf Algorithmus, künstliche Intelligenz und Robotik setzen, neue technische Möglichkeiten, die neue Anreize - neue Arbeitsplätze - neue Absatzmärkte - neue Profite bringen würden.
Der Manager, der nicht kongruent mit den unternehmensethischen Werten entscheidet, geht unnötig riskant vor. Er äufnet so kein Vertrauen. Doch um das Vertrauen in den verantwortlichen Manager geht es in Krisen: Wenn die Geschäftsleitung Entlassungen auszusprechen hat; wenn Banken keinen Kredit mehr gewähren; wenn Debitoren zu betreiben sind; wenn ein Sporthallendach eingesackt ist; wenn ein Eisenbahnzug in der Bahnhofeinfahrt entgleist ist; wenn der Geschäftsleitung nur rapportiert wird, was ihr vermeintlich gefällt; wenn die Geschäftsleitung ihre Mitarbeiter selektiv wahrnimmt, usw., dann taucht sofort die Frage auf: «Wer hat die Führungsverantwortung?»
Zum Klima auf Chefetagen resümiert Jochen von Wahlert[1], dass sich viele Manager zurückzögen, und es speziell bei Geschäftsleitungsvorsitzenden (CEO) oft das Problem sei, dass sie «kein soziales Korrektiv mehr haben und ungehemmt auch sehr schwierige Seiten ausleben und entwickeln können, aber in letzter Konsequenz seelisch vereinsamen, sogar entkultivieren, weil Regulativ und Vernetzung fehlen. Auch so etwas wie Demut, die man in Beziehungen lernen kann, fehlt ihnen. Sie werden autistisch, weil sie nur noch ihre eigenen Ansichten verkünden und nichts mehr annehmen können.»[2]
Management als habituelle Praxis kommt nicht umhin, sich für die Zukunft essenziell zu verändern. Denn die Sinnfrage «Wozu gut?» stellt sich über kurz oder lang jedem. Man sieht die Dinge ja nicht, wie sie sind; man sieht sie, wie man ist. Dafür ist die Pointe bezeichnend, wie die Konzernchefs von Toyota und Mazda begründen, dass ihre Konzerne seit kurzem eine Allianz bilden: «Wir sind wie auf hoher See unterwegs, aber wir haben keine Seekarte mehr.»
© Lic. phil. Hans-Peter Fleury, 2017
[1] Ärztlicher Direktor der Psychosomatischen Privatklink Bad Grönenbach in Bayern, zitiert in NZZ-Artikel vom A. Jardine, s. Fussnote 2.
[2] Anja Jardine: «Wenn nichts mehr geht. Die Zahl psychisch bedingter Krankheitsabsenzen in Unternehmen ist in den letzten 15 Jahren gestiegen, auch unter Führungskräften. Oft ist nicht die Arbeit, die Menschen ausbrennen lässt, sondern die Vernachlässigung ihrer Ressourcen. Der wichtigsten Kraftquelle schenken sie meistens an wenigsten Beachtung: ihrem Bedürfnis nach Bindung.» Zitiert aus: Neue Zürcher Zeitung, 2.8.2017, Nr. 176, S. 21.
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